In Pforzheim ist die AfD im Gemeinderat stark vertreten. Was hält die dortige CDU-Fraktionschefin Dr. Marianne Engeser von den Aussagen ihres Parteichefs Merz zum Umgang mit den Rechtspopulisten?

Ein Interview von Christine Keck - Spiegel

SPIEGEL: Frau Engeser, die Brandmauer zur AfD bröselt, wenn man dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zuhört. Was halten Sie von seinem Kurs?

ENGESER: Es hat mich erstaunt, was das für eine Aufregung erzeugt hat. Es gibt einen ganz klaren Kurs, der auch Parteitagsbeschluss ist: Keine Zusammenarbeit mit AfD und Linkspartei. Daher habe ich die Aussage von Friedrich Merz nicht als Aufforderung verstanden, mit der AfD zu paktieren und das tun wir auch nicht.

SPIEGEL: Wie kommen Sie als größte Fraktion im Pforzheimer Gemeinderat mit den Rechtspopulisten klar?

ENGESER: Wir haben elf Sitze, die AfD ist mit ihren sechs Sitzen die zweitstärkste Kraft. Trotzdem gab und gibt es keinerlei Schnittmengen und keinerlei Kooperationen. Wir grüßen uns, das sollte man aber auch, wenn man gemeinsam Mitglied in einem Gemeinderat ist.

SPIEGEL: Gibt es gemeinsame Anträge mit der AfD?

ENGESER: Es gab keine gemeinsamen Anträge und es wird diese auch nicht geben, denn wir werden diese Leute nicht hoffähig machen. In dieser Partei sind Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus an der Tagesordnung. Kein AfD-Mitglied kann sich darauf berufen, hiervon nichts zu wissen. Eine Mitgliedschaft in der AfD ist eine ganz klare Entscheidung, die mit unseren christdemokratischen Werten nicht vereinbar ist.

SPIEGEL: Das heißt, die AfD ist isoliert?

ENGESER: Absolut. Sie werden vom Rest des Gemeinderates ignoriert. In der inhaltlichen Arbeit – wenn sie denn überhaupt welche leisten – konzentrieren sie sich oft auf Kürzungen im sozialen Bereich.

SPIEGEL: Der Gemeinderat in Pforzheim ist stark zersplittert, es gibt zehn Fraktionen und Gruppierungen. Rücken diese näher zusammen, um sich gegen Rechtsaußen abzugrenzen?

ENGESER: Da gibt es immer wieder Situationen, wo wir einander suchen und finden, um nicht von den AfD-Stimmen abhängig zu sein.

SPIEGEL: Mit dem Landtagsabgeordneten Alfred Bamberger haben Sie einen Politiker in ihren Reihen, der auf Facebook das Anzünden von Flüchtlingsunterkünften mit zivilem Ungehorsam verglichen hat. Ist er ein Störfaktor?

ENGESER: Meistens ist er bemerkenswert still. Wenn er sich äußert, dann rassistisch und sehr weit rechts. Wir stemmen uns dagegen, versuchen aber den Ball flach zu halten, um keine unnötige Aufmerksamkeit für die AfD zu erzeugen.

SPIEGEL: Im baden-württembergischen Landtag nahm mit dem Einzug der AfD die Zahl der Zwischenrufe und Beleidigungen zu. Ist auch im Gemeinderat der Ton rauer geworden?

ENGESER: Nein, zum Glück nicht. Die AfD lebt natürlich davon, meistens gegen etwas zu sein. Besonders ablehnend ist die Fraktion bei allem, was mit Integrationsmaßnahmen zu tun hat, beispielsweise Sprachförderung für Migranten.

SPIEGEL: Wie erklären Sie sich, dass die AfD in Pforzheim so erfolgreich ist?

ENGESER: Wir haben in Pforzheim traditionell die nach Mannheim zweithöchste Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg, denn hier sind ganze Wirtschaftszweige im Strukturwandel abgewandert. Zugleich haben wir den höchsten Anteil an Asylbewerbern landesweit. Nicht vergessen werden darf, dass in einem Pforzheimer Stadtteil seit den 80er- Jahren besonders viele Deutsche aus Russland leben, die sich oft gegenüber den heutigen Migranten zurückgesetzt fühlen.

SPIEGEL: Offensichtlich haben die anderen Parteien inklusive der CDU dort versagt.

ENGESER: Das stimmt, dass dort die CDU früher stärker war und uns Wähler verloren gegangen sind. Wir konnten etliche der Deutschen aus Russland während der ersten Flüchtlingswelle 2015 nicht mitnehmen, die fühlen sich benachteiligt und schotten sich ab, indem sie nur noch russische Nachrichten über Satellitenfernsehen und Internet konsumieren. Aber bei der Bundestagswahl konnten wir gerade dort das Ergebnis der AfD wieder deutlich drücken. Deshalb dürfen wir den Kopf nicht in den Sand stecken und die Menschen nicht aufgeben.


SPIEGEL: Sie sind 2016 aus dem Landtag geflogen, weil die AfD in Pforzheim ein Direktmandat holte. Wie geht es Ihnen persönlich mit dem Rechtsdrall in der Gesellschaft?

ENGESER: Nicht gut, der Aufschwung der AfD schockiert mich, aber er ist leider nicht neu. Schon in der Vergangenheit konnten Rechtspopulisten in Pforzheim Erfolge erzielen. Umso wichtiger ist es mir, jeden Tag für eine offene und tolerante Stadt zu werben.

Quelle: https://www.spiegel.de

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